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Warum soll der Vater die Braut zum Altar führen?

Wer kennt sie nicht? Die berühmte Szene aus Hollywoodfilmen, in denen die Braut am Arm des Vaters – die Kirchengemeinde zu Tränen gerührt – vor den Altar geführt wird?  In Mamma Mia sucht gar die Tochter unter mehreren möglichen Vateranwärtern nach dem Richtigen, um sich zum Altar begleiten lassen zu können und auch hierzulande scheint der Wunsch nach dieser Einzugsvariante immer mehr im Trend zu liegen. Auch wenn dieser Einzug mit Vater immer beliebter wird, reicht er eigentlich auf patriarchale Traditionen aus dem Mittelalter und der frühen Renaissance zurück, die die Frau als ökonomische Ware auf einem Heiratsmarkt begreifen. Doch legen wir hier einen kurzen Stopp ein. Zunächst möchte ich euch einen kurzen Überblick über den kulturgeschichtlichen Hintergrund geben: Wie kam es zu dieser Tradition und viel wichtiger was sagt diese Tradition eigentlich aus?

Vater mit Braut zum Altar? In Deutschland nicht üblich

Letzten Endes gibt es diese Einzugsvariante “Braut am Arm des Vaters” im 21. Jahrhundert in Deutschland gar nicht, sie ist eher in südeuropäischen und angloamerikanischen Ländern Brauch (siehe hier). In Deutschland, etwa gar in der katholischen Kirche war und ist es Brauch, dass das Brautpaar zusammen vor den Altar tritt, sozusagen den Weg in die Ehe gemeinsam und auch als gleichberechtigte Partner beginnt. Dass der Vater die Braut an den Altar führt, wurde im Mittelalter zwar so praktiziert, wurde aber eigentlich schon vor langer Zeit in Deutschland “abgeschafft”. Denn eigentlich verweist der Brauch auf eine patriarchale Geschlechterpolitik, d. h. kommt aus einer Zeit, in der der Mann als Familienoberhaupt und damit auch Bestimmender (etwa auch in finanzieller Hinsicht) über die Tochter angesehen wurde.

Kulturgeschichtlicher Kontext der Trauung im Mittelalter

Die sogenannte Muntehe war seit dem Mittelalter die üblichste Form der Heirat. Sie galt als ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Familien. Die Braut wechselte aus der Schutzgewalt des Vaters (die sogenannte »Munt«) in die des Ehemannes, was mit einigen Trauriten besiegelt wurde: So übergab der Vater zusammen mit der Braut beispielsweise Speer, Schwert oder Hut als Zeichen der Vormundschaft. Nun sollte der Ehemann rechtlich wie finanziell über die Frau bestimmen, nicht mehr der Vater. Solch ein patriarchales Geschlechtermodell sah die Frau eher als Ware auf einem Heiratsmarkt an, für die eine Mitgift ausgehandelt werden konnte. Daraus entwickelte sich auch seit dem 16. Jahrhundert der Brauch der arrangierten Hochzeit. Die Übergabe des Vaters an den Bräutigam vor dem Traualtar signalisierte, dass nun die Frau vom Besitztum des Vaters in das Besitztums des Ehemannes übergeben wird, der nun (finanziell, rechtlich etc.) über sie bestimme. Deshalb auch der Brauch der Namensänderung.

Heute

Informiert euch daher über solche Bräuche und was sie aussagen. Falls ihr Angst hattet, diesen Brauch neu zu interpretieren, kann ich euch nur ermutigen. Traut euch unbedingt, etwas Neues daraus zu machen, wenn ihr möchtet. Oder macht es wie Prinzessin Victoria:  Sie hatte damals für ihre Hochzeit einen für sie passenden Kompromiss gefunden (in Schweden ist es üblich, dass Braut und Bräutigam zu zweit vor den Altar treten – ohne väterliche Übergabe): Ihr Vater durfte sie die erste Hälfte des Weges begleiten; ihr Ehemann Daniel schritt mit ihr die zweite Hälfte zum Altar. Angelina Jolie hat sich von ihren beiden Söhnen Pax und Maddox zu Brad an den Altar führen lassen. Und Meghan Markle ist die Hälfte des Weges alleine zum Altar geschritten und die andere Hälfte am Arm ihres zukünftigen Schwiegervaters Prince Charles. Alles kann, nichts muss also – selbst in Königshäusern. Außerhalb von Konventionen denken und Konventionen auch umzustoßen, finde ich gerade auch bei Hochzeiten toll! Um jedem zu signalisieren, dass man als gleichberechtigtes Paar in die Ehe gehen möchte. Seid also kreativ! Wenn ihr zum Altar gebracht werden wollt, könnt ihr beispielsweise auch mit der Mama, Schwester oder Freundin im Arm gehen.

Ich finde man und frau muss sich an gar keine Tra­di­tio­nen hal­ten, weder bei der Hochzeits­feier noch Danach und jeder sollte letzten Endes für sich selbst entschei­den, was zu einem passt. Und das kann auch sein, dass ihr euch natürlich vom Papa zum Altar führen lasst. Wer nicht mit dem Papa zum Altar gehen möchte, sondern Alternativen sucht, findet hier einige sehr schöne Einzugsvarianten.

Verschiedene Varianten für den Einzug zum Altar

  1. Geh alleine
  2. Geh gemeinsam mit dem Bräutigam
  3. Gehe mit Mutter und Vater zusammen (einer links, einer rechts von dir)
  4. Gehe mit Schwester, Mama, Oma oder Freundin
  5. Gehe den halben Weg mit Vater und dann die letzte Hälfte alleine (wie Herzogin Meghan etwa)

Ganz viele liebe Grüße aus meiner kleinen Hochzeitsecke,

sig

Foto: navyblur

KategorienAllgemein
  1. Stefanie says:

    Dieser Beitrag spricht mir voll aus der Seele. Bei unserer Hochzeit standen die Gäste Spalier vor der Kirche und wir sind hindurchzogen und dann sind alle hinter dem Brautpaar in die Kirche gegangen. Ich fand es aber schon im Vorfeld unserer Hochzeit interessant, dass fast alle einen Einzug der Braut mit Vater erwarten – eben wie im Film. Und man muss dann erklären, dass das bei uns (zumindest in Sachsen) keine Tradition hat.

    1. TheLittleWeddingCorner says:

      Liebe Stefanie,

      vielen lieben Dank dir für deine offenen und schönen Worte! Ja genau, ich wurde auch oft gefragt, warum mein mann und ich gemeinsam vorliefen zum Altar – obwohl es eben überhaupt nicht Brauch ist 🙂

      Liebe Grüße,
      Barbara

  2. Mila Liebe says:

    Hallo Barbara,

    wir haben auch überlegt, wie wir es bei unserer Hochzeit machen. Unabhängig davon, warum “früher” der Vater die Tochter an den Bräutigam übergeben hat, finde ich es modern betrachtet eine wunderschöne Geste, wenn Papa seine “kleine” Tochter zum Altar führt.

    Wir haben uns letztendlich dafür entschieden, dass mein Mann alleine vor der Kirche auf mich wartete und wir gemeinsam reingegangen sind. Wir haben schon zusammengewohnt, waren auch schon standesamtlich verheiratet und sind bisher jeden Weg gemeinsam gegangen, deswegen wollten wir auch den Weg in unsere Ehe gemeinsam gehen. Für Papa war das kein Problem, er hat es richtig genossen zu sehen, wie seine Tochter glücklich zum Altar schreitet 🙂

    Alles Liebe,

    Mila

  3. Anna says:

    Also ich seh das ein bisschen anders.
    Ich bin eine wirklich emanzipierte Frau, die fest im Leben steht und ziemlich genau weiß was sie will, inklusive dem ehemann und der hochzeit.
    Mein Vater wird mich in die Kirchr führen und ich freue mich schon jetzt wahnsinnig darauf.
    Ich jabe das Glück einen wundervollen Papa zu haben, der nunmal der erste Mann ist, der im leben einer Frau eine Rolle spielt und der ein tolles Vorbild war für das was man in einem Mann erwarten darf. Er hat die Standards gesetzt für das, wonach es sich lohnt zu suchen, zuverlässigkeit, vertrauen, Intelligenz und Geborgenheit.
    Und ich bin die ersten 25 Jahre meines Lebens hervorragend selbst durch die Welt gegangen ohne Mann an meiner Seite, bin mir also definitiv SELBST Frau genug und werde das auch weiterhin sein, aber an diesem Tag möchte ich ihm danke sagen für alles was er für mich gemacht hat. Und gerade weil ich als emanzipierte Frau die friee Wahl habe, wähle ich dies! Ich glaube keine Frau der Welt würde es nucht schaffen allein in diese Kirche zu laufen, auch mit Aufregung, genauso würde ich da aber auch alleine wieder rauslaufen können, dazu bräuchte ich meinen Mann dann auch nicht und trotzdem ist es ein wunderschönes Gefühl der Zusammengehörigkeit, des Vertrauens und der Nähe zu dem Mann, der mich großgezogen hat und dem Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen werde!
    Jeder der es anders macht, völlig ok,nur zur freien Entscheidung für die alle Frauen vor uns gekämpft haben, gehört für mich genauso aus einer Tradition seinen eigenen Wert zu entwickeln und voller Überzeugung den Moment zu genießen, in dem Wissen: Montag lauf ich auch wieder allein zur Arbeit, zum Supermarkt, sonsteohin und mir bricht kein Zacken aus der Krone mich heute mal Arm in Arm begleiten zu lassen!

    🙂

  4. Anna says:

    Achso hihi und mit “ich sehe das ein bisschen anders” meinte ich vor allem, dass ICH das Gefühl hab mich heute dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich das noch so altmodisch mache, zumindest in meinem Freundeskreis 🙂

    1. TheLittleWeddingCorner says:

      Liebe Anna,

      ganz vielen lieben Dank dir für deinen Kommentar! Ich freu mich immer riesig, von Bräuten zu hören, denen das Thema vielleicht auch grad im Kopf rumspukt! Ich finde es toll, wenn eine Frau sich wie du Gedanken macht und dann danach ihre Entscheidung trifft, je nachdem was für sie am besten ist. Wie ich oben geschrieben habe, nur das “weil mans halt so macht” finde ich einfach nicht mehr zeitgemäß und auch ein bißchen schade. Letztlich ist es immer toll, genau das zu tun (als Braut), was zu einem passt 🙂 und nicht weil es Konvention ist!!

      Ganz liebe Grüße und viele schöne MOmente auf deiner Hochzeit,
      deine Barbara

  5. Mila says:

    Ich finde es auch sehr schön, wenn Papa sein kleines Mädchen zum Altar führt. Aber hätte ich das so gemacht, dann wäre an einer Seite Mama und an der anderen Papa. Mama hat zu meiner Erziehung genauso viel beigetragen, hat mich genauso viel lieb und auf sie würde ich ungern verzichten.

    Bei uns war es aber so, dass wir zusammen in die Kirche gegangen sind. Wir haben schon zusammengewohnt und wollen ja auch den Rest unseres Lebens alle Wege gemeinsam gehen, also war uns auch klar, dass wir zusammen zum Altar schreiten. Die anderen Gäste konnten sich vorher schon alle setzen und die Kirchenhefte wurden verteilt. Mein Mann hat mich das erste Mal vor der Kirche gesehen. Wir haben diesen Moment genossen, ganz alleine für uns und sind dann gemeinsam reingegangen.

    Alles Liebe

    Mila

  6. Franziska says:

    Als ich vor bald 3 Jahren meinen Liebsten geheiratet habe, war es für uns ganz selbstverständlich, dass mein Papa mich zum Altar bringen wird, und zwar GENAU aus diesen Gründen, die im Artikel genannt wurden.
    Ich finde es sehr schade, dass die Patriarchalität (fast) immer rein negativ belegt wird.
    Ich bin eine selbstbewusste, eigenständige junge Frau, habe studiert und meine eigene Firma aufgezogen.
    Aber dennoch finde ich es, gerade für eine Frau, sehr wertvoll, einen Mann “über sich” zu haben.
    Die erste Zeit meines Lebens ist das mein Papa gewesen. Ja, er war das “Familienoberhaut”, aber in einem sehr positiven Sinn. Unter seinen führsorglichen “Flügeln” fanden meine Mutter und wir Kinder Schutz. Er war es, der für unsere Familie gekämpft hat und der – eben weil er der “Boss” war, auch die Verantwortung für uns trug.
    Wir sind alle gläubig und leben unseren christlichen Glauben auch sehr konsequent im Alltag. Bei uns übernimmt der Vater/Ehemann das Ruder der Familie, aber übernimmt damit auch alle Verantwortung vor Gott und der Welt. Entscheidet er falsch, wird auch er die Konsequenz daraus tragen. Die Bibel sagt dazu ganz klar, dass der Mann vor seiner Frau steht, aber dass er sein Leben für das ihre geben muss. Dass er sein Leben dafür aufwenden muss, dass es ihr und den Kindern gut geht und sie zur vollen Blüte ihrer Persönlichkeit gelangen. Die biblische Version des Patriarchen hat nicht im Mindesten etwas mit Unterdrückung zu tun. Im Gegenteil, Frauen waren sehr geschätzt und im Volk hoch geachtet 🙂 In diesem positiven Sinn der Patriarchalität – so wie sie auch ursprünglich gedacht war – leben wir, und in ihr fühle ich mich als Frau sicher und geborgen.
    Daher war es für uns eine schöne Geste, dass mein Papa, mein Wegweiser und Beschützer, mich aus dem Schutz seiner Familie “entlässt” und mich unter die liebevoll umsorgenden Flügel eines neuen Mannes stellt. Er hat die Verantwortung für mich vor dem Altar meinem zukünftigen Mann übergeben. Diesen neuen Bund haben wir mit unserem Eheversprechen geschlossen und haben die Kirche danach als eine neue Einheit vor Gott und der Welt, Hand in Hand, wieder verlassen. Dieser Mann wird als mein Ehemann mein Leben begleiten und führen, in eine gute und für uns beide glückliche Zukunft.
    In diesem Sinne hatten wir eine wunderschöne Traumhochzeit, die ich jederzeit genau so noch einmal feiern würde!

  7. Dany says:

    Dass man als Frau vom “Besitz” eines Mannes (des Vaters) in den eines anderen Mannes (Bräutigam) übergeht, erinnert mich eher an Länder wie Iran oder Saudi-Arabien als an unsere Kultur.

    Danke für den Hinweis, dass es in Deutschland noch nicht einmal früher so war!

    Ich finde die Symbolik, dass man gemeinsam seinen Lebensweg (zum Altar = zu Gott) geht, auch viel stimmiger.

  8. Günter Kaiser says:

    Als katholischer (verheirateter!) Diakon werde ich auch sehr oft mit dem Thema Brautzuführung konfrontiert. Eigentlich widerspricht diese dem Trauritus, in dem es heißt, dass beide (!) Brautleute nach reiflicher Überlegung und aus freiem Willen (!) hierhergekommen sind, um die Ehe zu schließen.
    Ich frage die Brautleute dann, ob wir statt dem halben das gesamte Ritual der Brautübergabe praktizieren möchten, worauf die beiden von mir wissen wollen, wie denn der gesamte Akt aussehen würde. Meine schmunzelnde Antwort: Vater übergibt Braut an Bräutigam; Bräutigam übergibt Brautpreis (z.B. zwei Kühe, drei Schafe und sieben Hühner) an den Brautvater – allgemeines Lachen!
    Besteht das Brautpaar weiter auf der Brautübergabe, dann schlage ich vor, das an der Kirchentüre zu machen und das Brautpaar zieht dann Seite an Seite zusammen mit mir, den Ministranten und den Trauzeugen in die Kirche ein. Dieser Kompromiss findet fast immer Anklang.
    Übrigens: Bei unserer eigenen Hochzeit vor 42 Jahren kannte man die Brautzuführung bei uns noch gar nicht.

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